Die Geschichte

Eisenbahngeschichte für Briesen (Mark)

Eisenbahngeschichte für Briesen (Mark)

Am 28. März 1840 konzessionierte die Berlin-Frankfurter Eisenbahn-Gesellschaft, die Strecke Berlin – Frankfurt (Oder). Die Vorarbeiten für diese Trasse, durch den Geh. Oberbaurat Crelle, lagen bereits in einem am 24. Dezember 1836 gedruckten Manuskript vor. Eine amtliche Bekanntmachung der Eisenbahn-Direktion teilte am 28. September 1840 mit, noch im selben Jahr das zur Eisenbahnanlage erforderte Terrain käuflich zu erwerben.

Die Landbesitzer derjenigen Grundstücke, über welche die Bahn geplant ist, wurden aufgefordert „die Land-Bestellung auf 3 Ruten zu jeder Seite der Linie zu unterlassen.“

Die betreffenden Eigentümer mußten sich danach richten und ihre Entschädigungs-ansprüche zu seiner Zeit einreichen.

Am 15. Mai 1841 erfolgte die Bestätigung der Statuten der Gesellschaft und des darin auf 2,2 Millionen Taler festgelegten Aktienkapitals, durch den König.

Der erste Spatenstich zum Bau der Strecke erfolgte am 01. Juni 1841. Parallel zum Streckenbau, begann auch der Bau der vielen Bahnwärterhäuschen und der Bau der Bahnhofshäuser in Fürstenwalde Spree, Briesen und Frankfurt (Oder). Der Ort Briesen war bis zu dieser Zeit ziemlich klein und zählte nur 59 Häuser und 88 Familien. Im April 1841 wurde über den Mühlenfließ die Briesener Eisenbahnbrücke errichtet.

Bereits im Oktober 1842, war die 10 ¼ Meilen (= 77,2 km) lange Strecke so weit vollendet, dass zunächst der Personenverkehr una am 31. Oktober auch der Güterverkehr , auf der Berlin-Frankfurter Eisenbahn eröffnet werden konnte.

Die Hauptbahn nach Frankfurt (Oder) hatte ihren Kopfbahnhof im damaligen östlichen Stadtgebiet berlins, wo sie zwischen dem Stralauer und Frankfurter Tor die Stadtmauer durchschnitt. Ihre nach Osten über Köpenick – Erkner – Fürstenwalde führende Trasse verursachte in dem verhältnismässig ebenen und sandigen Terrain bis Briesen, keine technischen Schwierigkeiten. Lediglich zwischen Briesen und Frankfurt war bei Rosengarten ein nicht unbedeutender Höhenzug mit Neigungen von 1 : 180 und 1 : 116 zu überschreiten.

Wegen dieser Steigung erhielt Briesen einen Bahnhof, mit einer 14-Meter Drehscheibe (wurde erst 1968 demontiert und verschrottet), einem Lokschuppen, eine Wasserstation und  die Schiebebahn. Nur mit dieser zusätzlichen Schiebelokomotive, konnten Züge die Steigung in Rosengarten überwinden.

Am 22.10. 1842 wurde die neue Eisenbahnstrecke eingeweiht. Die Lokomotive mit dem Namen „Posen“ war ein Produkt der Firma William Norris aus Philadelphia. Gegen 12.30 Uhr erreichte sie den Bahnhof Briesen mit ca. 30 km/h. In einer 3-stündigen Zugfahrt gelangte man nun von Berlin nach Frankfurt. Bis 1893 gab es noch innerhalb Deutschlands unterschiedliche Zeitzonen. War es z.B. in Briesen 12.00 Uhr, so war es in Berlin erst 11.54 Uhr, in Bremen 11.35 Uhr und in Posen schon 12.08 Uhr. Das war für die Eisenbahn, die viele Zeitzonen durchfuhr, sehr hinderlich und es mußten die Uhren der Zugbegleiter ständig reguliert werden. Mit dem Jahr 1893 wurden diese Zeitzonen abgeschafft und eine mitteleuropäische Zeit eingeführt.

Für Briesen gab es 1842 folgende Abfahrtszeiten und Fahrpreise:

Tägliche Dampfwagenzüge

  • Personenzüge (halten nur an Bahnhöfen): Abfahrt von Briesen – Frankfurt 9.07 Uhr und 21.10 Uhr (38 Minuten), Abfahrt von Briesen – Berlin 8.01 Uhr und 19.14 Uhr (2 Std. 3 Minuten)
  • Güterzüge (halten auf allen Stationen):, Abfahrt von Briesen – Frankfurt 13.04 Uhr, Abfahrt von Briesen – Berlin 13.06 Uhr

Fahrpreise in Silbergroschen

Briesen – Berlin: Klasse I  52,5      Klasse II  32,5 Stehplatz  20,0

Briesen – Fürstenwalde: Klasse I  12,5  Klasse II   7,5    Stehplatz 5,0

Briesen – Frankfurt: Klasse I  17,5  Klasse II  12,5   Stehplatz  5,0

Hinzu kamen Sonderzüge des Militärs und später der Salonzug des Kaisers. Sie konnten nur in Franfurt drehen und wenden, um danach die Rückfahrt nach Berlin anzutreten.

Die Berlin-Frankfurter Eisenbahn beschaffte in den Jahren 1842 bis 1844 fünfzehn mit Holz beheizbare Lokomotiven von der Lokbauanstalt William Norris in Philadelphia (USA) zum Stückpreis von 12 000 Talern. Norris bot seine »Dampfwagen« in vier Leistungsklassen an, die Gesellschaft kaufte davon drei. Zunächst kamen am 23. Oktober 1842 sechs Lokomotiven der Klasse B zum Einsatz. Die Lok mit der Bahnnummer 7 folgte am 10. Januar 1843. Da die Maschinen den »Erwartungen in jeder Beziehung durchaus entsprachen«, kaufte die Gesellschaft bis 1844 fünf Lokomotiven der verstärkten A-extra-Klasse, die in Frankfurt stationiert wurden, sowie drei der Mittelklasse A (Fabriknummern 153, 155, 160 / Loknummern 11, 13, 15). Sie kamen nach Briesen. Die Lokomotiven erhielten nach damaliger Tradition Eigennamen.

Nachdem es mehreren Gesellschaften von zwischen 1837 – 1843 nicht gelang, für den Bau einer Eisenbahnstrecke von Berlin nach Breslau das erforderliche Kapital aufzubringen, konnte die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft, die nach der Fertigstellung der Strecke Berlin – Frankfurt günstigen Bedingungen nutzen und die Konzession für die Weiterführung dieser Bahn nach Breslau und für die Anschlussbahn nach Görlitz erlangen. Gleichzeitig bemühte sich die Gesellschaft, die Strecke Berlin – Frankfurt zu kaufen, um dann die Gesamtstrecke Berlin – Breslau in eigener Regie betreiben zu können. Durch den Vertrag vom 12. dezember 1844 erwarb die Niederschlesisch-Märkisch Eisenbahn-Gesellschaft die Bahnstrecke Berlin – Frankfurt (Oder) von der Berlin-Frankfurter Eisenbahngesellschaft für 4.175.000 Taler.

Mit der »Vereinigung« übernahm die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft  1845 den gesamten Lokomotivpark. Über die Leistungsfähigkeit der Amerikanischen Loks war man nun geteilter Meinung. Sie paßten nicht in die preußische Landschaft. 1866 wurden die letzten Maschinen dieser Serie außer Dienst gestellt. Bis 1882 beschaffte die NME insgesamt 779 Lokomotiven und 4 Dampftriebwagen.

Inzwischen wurde der Ausbau der Bahnstrecke, nach Breslau und Görlitz, aktiv vorangetrieben, so dass die Gesamtstrecke, mit dem letzten Teilabschnitt Frankfurt – Bunzlau, am 1. September 1846 und die Zweigbahn von Kohlfurt nach Görlitz, am 15. Oktober 1846 eröffnet werden konnten, nachdem kurz zuvor die Sächsisch-Schlesische Eisenbahn von Dresden bis Löbau fertiggestellt worden war. Am 1. Oktober 1847 wurde diese Bahnstrecke bis Görlitz fertiggestellt. Damit war Berlin schon 1847 mit Wien, über Breslau und Oderberg, durch die Eisenbahn verbunden. Die Bauausführung leitete der Königliche Bauinspektor und Baudirektor der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn, Henz.

Durch die Bahnstrecke und den Bahnhof wurde der Ort für die Umgebung ein wichtiger Umschlagsplatz. 1880 zählte man in Briesen 822 Einwohner und in Kersdorf 270 Einwohner. Die Bahnstrecke wurde für die Ansiedlung von Betrieben ein wichtiger Entscheidungspunkt für Briesen. Ab 1888 wurde das Dorf zum Industrieort. 1901 waren es in Briesen schon 1334 Einwohner, davon viele Arbeiter und Beamte.

Bereits 10 Jahre nach der Streckeneröffnung mußten die Gleise saniert werden. Die Holzschwellen und das Kiesbett wurden erneuert.

Der Bahnhof Briesen (Mark) und die Gastronomie

Mit dem Bau der Bahnstrecke, wurden neben den Bahnhöfen, auch viele andere Gebäude   meistens mit Wohnungen für Eisenbahnangestellte errichtet. Im März 1845 wurde in Briesen ein Güterschuppen mit einer Laderampe gebaut. Damit konnten auch größere Güter und sogar Pferde verladen werden. In vielen Fällen waren Gaststätten und Restaurants integriert, so auch im Bahnhof Briesen.

Am 21.08.1842 gab die Direktion der Berlin-Frankfurter-Eisenbahn-Gesellschaft, eine Anzeige in den Zeitungen auf, um die Restaurationen (Gaststätten) in den Bahnhofsgebäuden von Berlin, Köpenick, Erkner, Fürstenwalde, Briesen und Frankfurt zu verpachten. Gleich ab dem Tage der bevorstehenden Eröffnung der Bahn sollten die Gaststätten oder Kioske betrieben werden.

Das Bahnhofsgebäude hatte eine eigene An- und Ausgabestelle für Gepäck und Transportgüter, einen Warteraum und eine Telegraphenstelle. Die große Treppenhalle führte zum Bahnhofsvorplatz, wo die Kutschen und Droschken sowie die Kofferträger auf die Reisenden warteten. Der Bahnsteig war eigenes und abgesperrtes Terrain und konnte nur mit einer gültigen Bahnsteigskarte betreten werden, die ein Wärter kontrollierte. Neben dem Bahnhof war der Bahnübergang mit Schrankenwärter, die per Hand die Schranken hoch und runter drehten. Für die ersten Jahre waren es nur wenige Züge am Tag, später jedoch im

30-Minuten-Takt. Für alle Straßen und Wege, die über die Bahnstrecke führten, wurden Schrankenwärter angestellt, auch weit außerhalb von Ortschaften.

1893 war W. Brüning der Pächter der Bahnhofsgasstätte. Er baute einen großen Bahnhofs-Biergarten und gab regelmäßig Gartenkonzerte. Das Bahnhofsrestaurant selbst war ziemlich klein, wahrscheinlich im Obergeschoß des Bahnhofs untergebracht, und so wollte er die äußeren Freiflächen sinnvoll nutzen. Ein anderes Gasthaus im Zentrum von Briesen nannte sich „Zur Eisenbahn“ und war gleichzeitig Vereinslokal des Briesener Eisenbahnvereins. Daraus ist zu schließen, daß das eigentliche Bahnhofsrestaurant anfangs ziemlich klein war.

Um die Jahrhundertwende wurden weitere Wohnhäuser für die zahlreichen Eisenbahner bebaut. Nach dem 1. Weltkrieg wurden im Bahnhofsgebäude Notwohnungen für Vertriebene und Flüchtlinge eingerichtet. 1925 sollten diese alten Notwohnungen zur größeren Bahnhofswirtschaft umgebaut werden, gegen die Proteste der einheimischen Ortsparteien. Briesen beklagte, daß auf 1500 Einwohner nunmehr 7 Gasthäuser kommen, einschließlich der Hüttenkantine. Im Jahre 1936 wurden der komplette Bahnhofsvorplatz und die Straße saniert. Bis zu 3 Schichten Pflastersteine in bis zu 70 cm Tiefe wurden freigelegt. Im August 1937 wurde schließlich die Autobahn fertiggestellt. Briesen erhielt eine direkte Auto-Zufahrt und die Strecke führte fast parallel zur Eisenbahnstrecke. Doch noch war der Autoverkehr keine ernsthafte Konkurrenz zur Bahn. Das Auto blieb für die normale Bevölkerung ein unerreichter Luxus. Viele Eisenbahner standen der Bahngesellschaft sehr nahe und nicht selten wurden auch die Kinder und Enkel Eisenbahner. Mit dem 2. Weltkrieg wurden die Arbeitskräfte knapp und ab 1940 kamen erstmals auch Frauen zur Eisenbahn.

Nach Kriegsende mußten Gleise und Eisenbahnen wieder mühevoll aufgebaut werden. Erst wurden aber restliche Bahnanlagen demontiert und nach Rußland transportiert. Die sowjetische Besatzungsmacht merkte aber schnell, daß die DDR ohne Schienennetz und Eisenbahn keinen Sozialismus aufbauen konnte. So wurde die Eisenbahn nach und nach auf und ausgebaut. Anfang der 70er Jahre wurden auch die Dampflokomotiven durch Diesel-Triebwagen zwischen Berlin und Frankfurt ersetzt. Irgendwann war auch die Wasserstelle in Briesen unnötig geworden und die Schranken außerhalb der Ortschaften wurden automatisch betrieben, später auch die restlichen Bahnübergänge. Der Name „Deutsche Reichsbahn“ blieb aber bis 1990 in der DDR erhalten.

Mit der „Modernisierung“ der Deutschen Bahn wurden die Bahnhöfe Ende der 90er Jahre stillgelegt und das gesamte Personal wurde abgeschafft. Heute gibt es in Briesen kein Eisenbahnpersonal, keine Wärterhäuschen, Fahrkartenschalter und keinen Bahnsteigwärter. Alle Züge, Weichen, Signale, Ansagen und Schranken werden von Berlin aus automatisch gesteuert und betrieben.

Quellen und Materialien aus dem Archiv der Ortschronik Briesen (Mark)

zusammengefaßt von R. Kramarczyk 2011

 

weiteres Wissenswertes rund um den Bahnhof und den Ort Briesen

Wie leistungsfähig die Eisenbahn war, erwies sich beim Einsatz von Sonderzügen.

Am 19.09.1882 erreichten z.B. die Truppen eines großen Manövers den Bahnhof Briesen.

„Ein Eisenbahnzug mit über 50 Waggons nahm Mann und Roß mit Gepäck auf, um das wertvolle Gut nach Berlin zu bringen. Es folgte ein zweiter Trupp und schon stand ein neuer Zug bereit. So ging es Stunde um Stunde, bis der fünfte und letzte Zug abfuhr.“

Über 7000 Mann und 300 Pferde wurden innerhalb von 5 Stunden in die Waggons verladen, ohne das irgend ein Unfall passierte, obwohl die Straße, die unmittelbar am Bahnhof über die Gleise führte, an diesem Tag von vielen Wagen und Menschen aus dem Publikum benutzt wurde. Die Bahnverwaltung hatte für eine musterhafte Ordnung gesorgt. Das gut geschulte Beamten- und Dienstpersonal war vollständig im Dienst, die leeren Züge waren pünktlich.

1938 begannen in Falkenhagen die Planungen für eine unterirdische Produktionsstätte zur Herstellung von Giftgasen und Giftstoffen. Das Werk gehörte zum IG-Farben Konzern, erhielt aber den Tarnnamen „Turon GmbH Briesen“, später „Monturon“. Vorallen die Sarin-Produktion sollte in Falkenhagen ab 1943 betrieben werden. Dafür wurde 1940 zwischen Briesen und Falkenhagen eine eingleisige Bahnstrecke gebaut und führte meist durch Waldgebiet und war 14 km lang. Die Züge wurden von Dieseltriebwagen gezogen. In Briesen wurde ein 120 Meter langer Bahnsteig, der überdacht war, gebaut. Anfangs wurden damit Zwangsarbeiter nach Falkenhagen transportiert, aber auch Baumaterialien für die riesige Bunkeranlage. Im Februar 1945 wurde das Werk in Falkenhagen demontiert, bevor die Produktion richtig anlief. 60 Güterwagen und 5 Kesselwagen gingen nach Bayern.

Die Sowjetunion demontierte die Schienen und die restlichen Anlagen dann als „Kriegs-Reparation“ nach dem Kriegsende. Der alte Bahnhof wurde mit Holz vernagelt und diente viele Jahre als Schrotmühle in Briesen. Heute befindet sich an dieser Stelle der Briesener Reiseparkplatz.